WA014 Der Greifer

Angeregt durch den Intergalactic Ape-Man befassen wir uns mit einem frühen Kracher des deutschen Tonfilms: „Der Greifer“ mit Hans Albers aus dem Jahre 1930. Ohne falsche Bescheidenheit wird in diesem Unterhaltungsfilm ganz dick aufgetragen und wir haben unseren Spaß daran.

Der Film im Netz: OFDb* | Intergalactic Ape-Man | Filmportal

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Max Roth
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Christian Höntzsch

3 Kommentare

  1. Intergalactic Ape-Man

    Also mal ganz fern der schmeichelnden Worte mir gegenüber freut es mich vor allem, daß euch der Film so ergriffen hat. Das bestätigt nicht nur mich in meinem Geschmack, sondern auch der Annahme, daß es bestimmte Dinge gibt, die eine gewisse Haltbarkeit haben. Wir kennen sicher alle jüngere Streifen, die deutlich schlechter gealtert sind. Ich mag eure Herangehensweise auch, wobei ich über das komödiantische Element nicht ganz so erstaunt war, sondern dies als Bestandteil von Unterhaltung ansehe. Das ist ja eine heute noch verwendete Technik, um emotional einen Gegenpol zu Spannung und Schrecken zu schaffen.

    Dadurch, daß ich in dem Stoff nun auch drin bin, hätte ich natürlich sehr viel beizufügen. Zum Glatteis-Thema Edgar Wallace und dem Drehort London habt ihr vermutlich in meinem Artikel schon die fehlenden Verknüpfungen gefunden. Als Tip hierbei für einen Wallace Einstieg ganz klar ein Vergleich der 30er Version von Der Hexer mit der Neuverfilmung vom Regiegott Alfred Vohrer. Auch ein gutes Beispiel für den modernen Geist, den das Weimarer Kino schon mit sich gebracht hat. Ein weiterer Vertreter des Actionkinos der Zeit war ja Harry Piel, von dem inzwischen ein paar Titel auf DVD verfügbar sind. Rasante Action verbirgt sich außerdem in manchem Bergfilm, wo u.a. halsbrecherische Skifahrten oder Flugzzeugmanöver für Spannung sorgen. Ein prima Beispiel für Trivialkino im besten Sinne ist auch der aufgrund der historischen Köln-Bilder heute interessante Der Bettler vom Kölner Dom.

    Da könnte man jetzt auch debattieren ohne Gnade, weil die 20er und frühen 30er Jahre in Europa einfach ein goldenes Zeitalter waren und das Pre-Code Hollywood auch seine Glanzstücke liefert. Gerade die poetischen Realisten Frankreichs sind ja der missing Link zwischen Expressionismus und Film Noir und deshalb für Genre-Enthusiasten nicht zu verachten. Da lassen sich auch richtig gute Kontextketten knüpfen, wenn man z.B. L’Atalante, Nacht im Hafen und Unter den Brücken vergleicht, eventuell noch Hafen im Nebel dazu.

    Um kurz die Trailer mit einzubeziehen: Die Wahrheit über Rosemarie ist ein Trittbrettfilm zum Mädchen Rosemarie und leider nicht so reißerisch, wie man sich das erhofft. Da würde ich mit Belinda Lee dann die Film Noir Hommage Der Satan lockt mit Liebe vorziehen, auch wieder vom Rudolf Jugert, der mit Hans Albers den wundervollen Nachts auf den Straßen gedreht und damit bereits die Mechanismen des „Genres“ ins Nachkriegsdeutschland übersetzt hat. Jugert übrigens ein Schüler Helmut Käutners, also genau in eurer Schiene.
    Der Mörder mit dem Seidenschal, nebenbei bemerkt, ist auch einer der Filme, die ich heiß erwartet hatte. Der ist wirklich gut, war nur nicht sehr erfolgreich, weshalb sich Herr Hoven dann mehr in die Exploitation geflüchtet hat. Der Star übrigens auch im Seidenschal Susanne Uhlen, die mit ihren Kulleraugen das Meisterwerk der Ultrakunst, Engel, die ihre Flügel verbrennen quasi allein getragen hat.

    Die wichtigsten Albers-Filme gibt es ja fast alle auf DVD. Neben Große Freiheit Nr. 7 und Nachts auf den Straßen sind sehr interessant auch Der Mann der Sherlock Holmes war, der von seiner Ikonographie etwas an einen Wayne/Ford Film erinnernde Wasser für Canitoga, Münchhausen, der mit einem Jekyll/Hyde Motiv ausgestattete Vom Teufel gejagt und im Kontext Albers eigene Version eines The Shootist, sein später Film, der ebenfalls Der Greifer genannt worden ist. Da ihr ja gern deutet, ist 13 kleine Esel und der Sonnenhof vielleicht gar nicht so doof, weil sowohl Albers in seiner Präsenz nochmal auf den Punkt gebracht wird, als auch der zweite Weltkrieg im Subtext eine große Rolle spielt.

    Bei eurem Verweis auf die ruppigen Wendungen im Greifer fiel mir direkt die Funktion des typischen Giallos ein, der wiederum ja seine Einflüsse bei Edgar Wallace bezog, was eine gewisse Parallelität aufzeigt. Argento war übrigens mit Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe Teil der Wallace-Epigonen. Das war in dem Fall Atze Brauner, der mit seiner CCC den Namen Bryan Edgar Wallace (Sohnemann von Edgar Wallace) und seine Bücher lizensiert hat, von denen er auch eher die Titel übernommen hat.

    Was die Kostümierung der Gangster angeht, so frage ich mich, ob es nicht auch deshalb verkleidet wirkt, weil wir diese Zeit ganz konkret immer in visuellen Erzählformen vor Gesicht geführt bekommen haben. Vielleicht ist das einfach eine Assoziation?

    Der angesprochene John Wayne Film dürfte The Big Trail sein. Der ist in zwei Wochen Thema bei Ein Film – Viele Blogger und für euch vielleicht ein guter Anlaß an dieses Stück Filmgeschichte zu gehen. Abgesehen von euren genannten Eckdaten ist es nicht nur ein Abenteuerwestern bombastischen Ausmaßes, sondern Raoul Walsh zeigt auch sehr eindrucksvoll, wie aufregend und modern das „Scope“-Format schon damals hätte verwendet werden können, hätte sich das Grandeur-Verfahren damals denn durchgesetzt. Daß mit Sack und Pack der Oregon Trail nachgefahren wurde und neben den beiden englischen Sprachfassungen noch lokalisierte Fassungen mit deutschen, französischen und spanischen Schauspielern gedreht worden sind, ist da fast Nebensache.

    Ich verkneif mir dann noch weitere Tips, weil ich jetzt ja erstmal genug Beispiele geliefert habe, die wirklich lohnenswert sind. Ich nehme mir das Feedback aber auch gern zu Herzen und werde nicht nur versuchen, mit der Blogger-Aktion auch mich öfter wieder zu fordern, wenn es um Filmbetrachtung geht, sondern ich fasse euer Interesse als Startschuß für neue Entdeckungsreisen von Filmen aus den 20er/30ern auf, über die man sich dann ja vielleicht wechselwirksam austauschen kann. Ich höre ja ohnehin öfter in eure Podcasts rein, weil ich die unverkrampfte, aber dennoch tiefgehende Rezeption ganz erquickend finde.

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    1. Christian (Beitrag Autor)

      Meine Güte, ich bin fast erschlagen von der Informationsfülle. Aber du gibst damit reichlich Steilvorlagen für künftige Ausgaben. Max und ich betrachten den Podcast als schöne Gelegenheit unsere Kino-Zeitreisen mit anderen Neugierigen zu teilen und nun hast du obendrein noch viele kleine Leuchtkerzen geworfen, die einen spannenden Pfad durch die deutsche Filmgeschichte aufzeigen. Dankeschön!

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  2. Nestroy

    Podcast: …Wenn ihr diesen Podcast 10 Jahre später hört…
    Ich: Mission accomplished! xD

    Es ist erleichternd, dass die Serie an ganz harter Gewalt, Vergewaltigung und Mord vorläufig zu Ende ist, die sich bis „Martha“ doch 13 Folgen lang ziemlich durchgezogen hat durch die „Wiederaufführung“.

    Was mir zu diesem Film einfällt ist, dass „der einfachen Handlung“ aufgrund des Alters des Films bzw. auch die häufigen Theaterbezüge ein klein wenig Unrecht getan wird. Immerhin liegt das nicht am damaligen generellen Alter des Medium Films (immerhin ganze 35 Jahre), sondern am Erscheinen der Tonfilme. Zum Zeitpunkt des Wechsels von Stummfilm auf Ton 1927 hatte ebenjener schon eine gute handlungstechnische Komplexität entwickelt, wenn man sich z.B. „Die freudlose Gasse“ (1925), „Show People“ (1928), oder „Die Büchse der Pandora“ (1929) ansieht, die deutlich abgefallen und lange nicht wieder erreicht worden ist, als die Leute vor der Kamera nicht bloß herumhampeln, sondern plötzlich auch was SAGEN hatten müssen. Vielleicht hat Charlie Chaplin nicht völlig grundlos nach Einführung des Tonfilms absichtlich noch drei weitere Stummfilme bis weit in die 30er hinein produziert, weil er hier für sich dramaturgische Stilmittel gesehen hat, die im Tonfilm verloren gingen, ehe er sich mit „Der große Diktator“ 1940 auch endlich dem Trend der Zeit ergab, doch dafür gleich stilecht mit einem sehr fulminanten Film, der in jede Filmsammlung gehört!

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